Montag, 3. November 2014

APA - Kritik ist da!!!


APA – Kritik

Walter Müllers Monolog "mutter.TRAKL" wurde im Schauspielhaus

Salzburg uraufgeführt - Jubel für gelungene Melange aus

Schauspiel und Musik (Von Florian Oberhummer/APA)

Salzburg (APA) - Georg Trakl war giftigen Substanzen aller Art

zugeneigt und soll mit seiner Schwester Inzest betrieben haben.

Grund genug, die Mutter des Salzburger Dichters ins Verhör zu

nehmen. Doch Walter Müller hat zur literarischen Verteidigung

angesetzt. Sein Monolog "mutter.TRAKL" wurde nun im Schauspielhaus

Salzburg in Szene gesetzt, Uraufführung des Auftragswerks war am

Sonntagabend.

Warum soll immer die Mutter an allem schuld sein? Mit dieser und

zahllosen weiteren Fragen konfrontiert Maria Catharina Trakl sich

und das Publikum. Georg Trakl befreite sich am 3. November 1914, vor

exakt 100 Jahren, mit einer Überdosis Kokain von den Schrecken des

Krieges. Seine jüngere Schwester Gretl erschoss sich drei Jahre

später schwer drogenabhängig in Berlin. Das ist zu viel an Skandalen

für eine angesehene Bürgerfamilie. Dass die Mutter an Gefühlskälte

litt und selbst den Giftfläschchen zugeneigt war, hat ihr Bild in

den Trakl-Biographien negativ geprägt.

Doch der Salzburger Autor Walter Müller setzt zur Verteidigung

der Mutter an - oder versucht zumindest das Bild zurechtzurücken. Es

war nämlich der gütige Vater, der Georg Trakl zur fatalen

Apothekerlehre gedrängt hat, die diesem erst den Zugang zu Kokain

und Morphium ermöglichte. Und das Kindermädchen aus dem Elsass habe

mit den Kindern auf Französisch parliert, um die Mutter kommunikativ

auszuschließen. Die konnte aber ohnehin nie den frühen Tod ihres

ersten Sohns überwinden und hat sich in ihre Hinterzimmer

zurückgezogen.

Müller ist ein starker Text gelungen, der biografisch Belegbares

mit literarischer Freiheit verbindet. Susanne Czepl-Zrost setzt die

Wortkaskaden mit viel Gespür für die Musikalität der Sprache und

dramatische Kraft um. Auch die Gebrochenheit ihrer Figur macht

Czepl-Zrost deutlich, wenn sie von bürgerlich-seriöser Trotzigkeit

in die tröstende Wahnwelt von Chloroform und Veronal umschwenkt und

plötzlich unverständliches Zeug daherbrabbelt. Ein 90-minütiger

Kraftakt, von Regisseur Klaus Ortner klug in Szene gesetzt.

Auch Georg Trakl selbst ist an diesem Abend präsent. Sechs seiner

Gedichte haben Ilona und Christoph Lindenbauer vertont, in der von

der Mutter verhassten französischen Sprache werden diese so

kraftvollen expressionistischen Bilder zu Musik. Es entstehen

wunderbar zarte Momente, wenn sich die Gesangslinien mit

Gitarren-Begleitung vereinen, und eindringliche düstere

Schattenszenen von Sopran über nacktem Kontrabass. Andere Versuche

der Vertonung wirft Trakl einfach unsanft ab, weil's sich nicht

ineinanderfügen will. Insgesamt ist die Melange aus Schauspiel und

Musik aber äußerst gelungen. Verdientermaßen langer Jubel für eine

würdige Auseinandersetzung mit diesem schwierigen Salzburger Genie.

("mutter.TRAKL", Monolog von Walter Müller mit Susanne

Czepl-Zrost. Regie: Klaus Ortner. Musik: Ilona und Christoph

Lindenbauer. Weitere Aufführungen: 6., 8. und 11. November,

Schauspielhaus Salzburg)



Außerdem auf ORF- news:
http://orf.at/stories/2251639/2251956/


Walter Müller über seinen Monolog
Werft Steine auf Frau Trakl, wenn ihr euch traut!

Die Idee hatte Susanne Czepl-Zrost. Sie hatte nach der Lektüre der Trakl Biografie von Dr. H.Weichselbaum, in der Figur der Mutter eine geheimnisvolle Theaterfigur gesehen. Und sie hat uns alle mit ihrer leidenschaftlichen Vision, über Trakls Mutter „etwas zu machen“, sofort angesteckt. Eine szenische Lesung, einen Monolog, einen szenischen Monolog – jedenfalls aus der Sicht der Mutter von Georg Trakl. Eigentlich ein bisschen allgemeiner: einen Monolog zu „Trakl’schen Themen“. Aber, wie gesagt, aus der Mutterperspektive.


Ich hab im selben Gebäude wie Trakl, im Akademischen am Universitätsplatz, meine Gymnasialzeit verbracht, nur halt… na ja, 60 Jahre später. Unser Deutschprofessor war Josef Donnenberg, der spätere Mitbegründer des Salzburger Literaturhauses. Der hat uns, als wir halbwegs aufnahmebereit waren, mit Trakl bekannt gemacht. Vor allem hat er diese Anekdote, wonach Georg Trakl eine Niete in Deutsch gewesen sein soll, heftigst widerlegt.


Natürlich haben wir (das war in den späten 60er Jahren) als Halbwüchsige, als „humanistisch Pubertäre“, manchmal „getrakelt“, auf Teufel komm raus. Der eine mehr, der andere weniger. Ich wollte damals eigentlich Sportreporter werden…


Allzu viel wirklich Authentisches ist ja über Maria Trakl, die Mutter, nicht belegt. Das gibt einem beim Schreiben umso mehr Spielraum. Unsere Absicht war es auch nicht, ein lückenlos belegbares Porträt zu entwerfen. Und mich hat besonders diese Tatsache mehr als alles andere interessiert: Wenn es um Georg Trakls Alkohol- oder Drogensucht geht… oder um die auch keineswegs wirklich beweisbare Inzestgeschichte mit der zweifellos vergötterten, geliebten Schwester Grete, heißt es oft: „Warum hat die Mutter nichts bemerkt?! Warum hat die Mutter nichts gesehen?!“

Ja, genauso wird heute gefragt, wenn in den Medien oder auch im weiteren oder engeren Bekanntenkreis (das gibt es!) Drogengeschichten, Missbrauchgeschichten bekannt werden. Warum hat die Mutter… Ja, um Himmels Willen: Wieso müsste allein die Mutter alles sehen, alles hören, alles bemerken?


Ich bin, vielleicht auch durch meine Tätigkeit als Trauerredner, bei der ich sehr viele Familiengeschichten höre, ein Verteidiger der Mütter! Ich hab ja selbst einen Roman geschrieben nach einem Tagebuch meiner Mutter, als ich noch lang nicht geboren und sie 20, 21 Jahre alt gewesen ist. Als schon dieser verdammte Zweite Weltkrieg wütete. Ich hab versucht, als Sohn und als Schriftsteller, zu verstehen, was eine junge Frau damals erlebt, empfunden, gefühlt hat.


Das ist keine Verteidigungsschrift geworden. Eher der Versuch, Rätsel zu formulieren, nicht sie zu lösen. Wir sind ja nicht der liebe Herrgott oder der Herr oberste Strafrichter! Genau darum geht es auch in diesem Monolog. Einer Frau, einer Mutter, die auch verdammt viele Schicksalsschläge erlitten, die aus gesellschaftlichen Gründen geschwiegen und sich lieber in ihre Liebe für Antiquitäten und in die Welt der Drogen zurückgezogen hat, ob zu Recht oder aus Egoismus, halbwegs würdevoll und vorurteilslos zu begegnen.


Der Monolog, das war mir vom ersten Satz an klar, löst keine Rätsel, gibt keine Erklärungen, schon gar nicht aus germanistischer oder historischer Sicht. Darum gibt es im Text auch mehr Frage- als Rufzeichen. Fragezeichen, die uns vielleicht auch heute in unserem eigenen Leben, in unserem eigenen Umgang mit den Kindern, den Geschwistern, den Süchten, den Sehnsüchten, dem Abdriften geliebter Menschen, dem Scheitern, der gutbürgerlichen oder meinetwegen auch verdienten Behaglichkeit und der Verzweiflung helfen könnten…


Mein Kind? Wieso ausgerechnet mein Kind? Wieso ausgerechnet ich als Mutter…? Werft Steine auf Frau Trakl, wenn ihr euch traut!




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